Das dritte Wochenende der
Ausbildung. Und soll ich euch was sagen? Ich habe einen wirren Kopf. Da
schwirrt unheimlich viel Zeug drin rum. Sehr interessantes Zeug. Ich habe so
viel mitgenommen, das jetzt in mir arbeitet. Was ist also hängengeblieben?
Jede Herausforderung, wirklich
jede, hat ihre Aufgabe und einen Sinn. Nichts davon passiert einfach nur, um
uns zu ärgern und weil das Schicksal es schlecht mit uns meint. Ich laufe durch
die Welt und beobachte sie aus einer neuen Perspektive. Ich beobachte mich, wie
ich auf Dinge reagiere, auf Menschen, die mir begegnen und mich fordern. Warum
macht es mich wütend, wenn jemand mich provoziert? Gibt es irgend etwas, das
ich auch durch eine andere Brille sehen könnte?
Wir haben uns im Training u.a.
auch mit „The Work“ von Byron Katie befasst und erlebt, wie sich eine Wahrheit
ganz unmittelbar ins Gegenteil wenden kann. Wie das auch lustig ist, wie man
sich selbst und seine Glaubenssätze plötzlich in Frage stellt und dadurch ganz
viel Erleichterung erlebt.
Eine weitere Aufgabe bestand
darin, herumzulaufen und den Dingen, die wir sehen, neue Namen zu geben und sie
so zu betrachten, als würden wir sie nicht kennen. Ich fühlte mich wirklich wie
eine Außerirdische, die zum ersten Mal ein Auto, einen Baum, eine Hauswand, ein
Blatt mit einem Tautropfen darauf sieht und keine Idee davon hat, wozu diese
Dinge alle gut sind. Es war auf einmal nur noch eine Ansammlung von Farben,
Strukturen, Texturen, Linien, Zacken, Rundungen, Formen. Ich habe mir
vorgenommen, beim Spazierengehen jetzt öfter diese „Alienbrille“ aufzusetzen,
weil es einfach Spaß macht. Man kann etwas Neues sehen und erleben. Man kann
sich von der üblichen Bewertung der Dinge trennen.
Und warum sollte man das tun?
fragt ihr euch vielleicht. Ich kann euch keine klare Antwort darauf geben, die
für euch gelten kann. Für mich ist es eine unermessliche Erweiterung des
Horizonts, eine Erleichterung, eine Befreiung und eine Relativierung meines
„normalen“ Kontexts. Und das genau hilft mir, mit meinen Herausforderungen
umzugehen. Jeder Schuss vor den Bug, jeder Arschtritt, jede Kritik erscheint in
einem anderen Licht, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind. Denn wenn das Problem
uns gar nicht betrifft, müssen wir nicht darunter leiden und falls wir das doch
tun, steckt eben etwas dahinter, an dem wir arbeiten können. Es ist also in
jedem Fall hilfreich, genau hinzuschauen.
Eine weitere Erleichterung im
Yoga besteht darin, dass man eine Erklärung für das menschliche Leiden findet,
die jenseits von unserem traditionellen westlichen Denken funktioniert. Wir
müssen nicht mehr in unserer Vergangenheit kramen, Ursachenforschung für alles
betreiben, analysieren, optimieren. Wir können ganz einfach verstehen, erleben,
erkennen, dass die Klarheit und Reinheit unseres Seins immer da ist und dass
wir alle unter denselben Trübungen und Störungen dieser Klarheit leiden. Aber
wir erfahren, dass diese Klarheit immer da ist, dass im Grunde immer alles gut
ist. Wir können an diesen einen Punkt zurückkehren, immer wieder und in ihm
unseren Ruhepol finden. Egal, welcher Sturm gerade um uns herum tobt.
Unser
Ego, unsere Angst, unser Neid, unsere Begierde, das Gefühl des Mangels tragen
dazu bei, dass wir an unserem Glück zweifeln und den Zugang zu unserem wahren Sein
nicht immer spüren können. Yoga ist der Weg weg von diesen Trübungen des
Geistes, eine Übung für mehr echtes Wahrnehmen und in diesem Sinne tatsächlich
ein Allheilmittel. Hinter dem Schmerz liegt das Wesentliche, nur wenn wir durch
ihn hindurch gehen, können wir es erfahren und nur deshalb gibt es diese
Trübungen. Sie sind unsere Aufgabe. Und sie haben alle, alle ihren Sinn. Auch
wenn es oft so scheint, als wären sie sinnlos oder wir würden uns viel zu lange
mit ihnen abmühen. Wenn wir zulassen, dass wir leiden, wenn wir uns beobachten,
während wir herausgefordert werden, können wir unglaubliche Dinge über uns
selbst lernen.
Wenn ihr mich fragt, ist das der Sinn des Lebens.
Einfach WOW! Deine Worte sprechen so klar, fast eine einfache Logik. Deinen Weg mitverfolgen zu dürfen ist großartig! Namaste, liebste Lene ��������
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