Yoga Teacher Training – Teil 1
Vor
einem weißen Blatt Papier zu sitzen und zu versuchen, in Worte zu fassen, was
einen von oben bis unten mit unglaublichen Gefühlen erfüllt, ist eine ganz
sonderbare Sache. Ich bin normalerweise nicht um Worte verlegen und ich liebe
es, meine Gedanken auf diese Weise auszudrücken. Jetzt lerne ich etwas jenseits
aller Worte kennen, was mich beeindruckt, mich bewegt, mich nachdenklich,
glücklich macht. Ich werde eine Yogalehrerin. Ich habe mich so sehr auf diese
Ausbildung gefreut, in vollem Vertrauen darauf, dass das eine wundervolle Reise
werden wird. Dennoch – und das habe ich früher auch schon öfter erfahren – ist
diese Reise so voll von Überraschungen und völlig anders, als ich sie mir
vorgestellt habe. Ich liebe diese Überraschung! Ich lerne, mich auf etwas Neues
einzulassen, alle meine Glaubenssätze zu hinterfragen und die Welt in einem
neuen Licht zu sehen.
Ich spüre am eigenen Leib, was es bedeutet, achtsam zu
sein und die Zeichen, die er mir gibt, anzunehmen und auf sie zu antworten. Ich
spüre, dass ich meinem seelischen Leid mit körperlicher Aktivität begegnen kann
und dass mein körperliches Leid durch die Auseinandersetzung mit meinem Geist
Heilung erfährt. In der Meditation löse ich mich völlig auf und werde eins mit
allem um mich herum. Das klingt esoterisch und seltsam, aber es ist eine so
unmittelbare Erfahrung, dass ich nun vielleicht sogar eine Vorstellung davon
haben kann, wie es ist zu sterben. Und wie wunderschön das ist. Meditation ist
das Zelebrieren des Moments und da ich das schon eine Weile geübt habe, trägt
diese Praxis nun Früchte und ich spüre: es gibt nichts Besseres!
Es
ist so interessant zu sehen, wie „Außenstehende“ darauf reagieren, wenn ich
ihnen erzähle, dass ich diese Ausbildung mache. Sie glauben, dass ich nun immer
gelenkiger werde, immer kompliziertere Haltungen einnehmen kann und dass ich in
einem Fitnessstudio anheuern und dort mein Geld verdienen könnte. Vielleicht
bekomme ich einen sexy "Yoga Body"? Kann sich das jemand vorstellen?
Und darum geht
es überhaupt nicht. Ich habe schon öfter über Yoga geschrieben und was er mir
bedeutet, u.a. hier, aber das ist niemals eine vollständige Beschreibung. Und
wenn es im Yoga um eins nicht geht, dann ist es das Ziel, gelenkiger zu werden.
Oder abzunehmen. Oder schöner zu werden. Es geht darum, zu erkennen, dass alles
genauso ist, wie es sein soll.
Die Bewegungen sind ein Mittel auf dem Weg zur
Selbsterkenntnis. Sie lassen uns spüren, dass wir eins sind mit unserer Umwelt,
dass Körper und Geist nicht trennbar sind und dass es sich lohnt, hinzuschauen,
in sich hinein zu spüren und die Antworten nicht im Außen, sondern im Innen zu
suchen. Es lohnt sich, nach dem Sinn des Lebens zu fragen, den Kopf
auszuschalten und auf sein Herz zu hören, bis die Antwort von ganz allein
kommt. Es lohnt sich, zu akzeptieren, dass wir keine Kontrolle über das Leben
haben und dass wir unsere Geschichte dennoch selbst gestalten und erzählen
können. Denn was in unserem Kopf vorgeht, ist immer nur eine Geschichte, immer
nur ein Abbild dessen, was ist. Und dieses Abbild ist mal so gefärbt und mal
so. Mal verzerrt es sich in eine Richtung, mal in die andere.
In
dieser Ausbildung lernen wir, dass unsere eigene Geschichte maßgeblich ist für
uns als Yogalehrer. Ohne diese Geschichte und unsere Auseinandersetzung damit
können wir keine authentischen Lehrer sein, würde uns das Mitgefühl für unsere
Schüler fehlen. Ohne das Überraschungsmoment würden wir uns zu bestimmten
Dingen vielleicht niemals durchringen, aber wenn wir ins kalte Wasser geworfen
werden, schwimmen wir einfach los und dieses Gefühl ist unfassbar schön. Wir
lernen, dass wir mehr können, als wir geglaubt haben, wir entwickeln ein neues
Selbstvertrauen.
Und
das Beste an allem ist, was zwischen uns passiert. Dass aus Fremden innerhalb
von Stunden enge Vertraute werden, in deren Gemeinschaft man sich völlig frei
fühlen darf und ganz unmittelbar spürt, dass alle unbefangen und mit viel Liebe
auf einen zugehen. Wir alle sind an einem ähnlichen Punkt auf unserem Lebensweg
und haben das Privileg, diese Reise gemeinsam zu machen. Und das schweißt uns
derartig zusammen, dass wir alle völlig überwältigt davon sind. Ich kenne euch
kaum und ich liebe jeden einzelnen von euch. In dieser Gemeinschaft kann ich zu
meiner wahren Berufung finden und die Stärke gewinnen, nach der ich so lange
gesucht habe. Ich danke euch so sehr dafür!
Die wunderschönen Bilder sind von Geert De Keyser, der uns an unserem ersten Abend begleitet hat.
Danke Lene, du hast die Gefühle von vielen zum Ausdruck gebracht. Sehr schön beschrieben. Wir bedanken uns dass du dabei bist.
AntwortenLöschenAb nächster Woche beginnt MEINE Ausbildung bei Yogalife. Dein Blog, habe ich für mich beschlossen, gehört für mich dazu. Du schreibst ganz wundervoll und ich freue mich jetzt noch mehr auf das, was auf mich zukommt. Vielen Dank und Namasté!
AntwortenLöschenLiebe Lene,
AntwortenLöschenbin gerade zufällig auf deinen Blog und diesen Artikel gestoßen, der mich sehr fasziniert hat. Ich selbst bin derzeit auch in der Überlegung, ob ich eine Yoga-Lehrer Ausbildung machen soll.
Ich erhoffe mir dadurch noch besseren Zugang und ein tieferes Verständnis der ganzen Materie zu bekommen, wie ich es bisher als Yoga-Schüler erhalten habe.
Gibst du inzwischen auch selbst Yoga-Kurse?
Micha
Lieber Micha, leider habe ich deinen netten Kommentar gerade erst gesehen - sorry für die verspätete Antwort! Ich habe tatsächlich direkt nach der Ausbildung angefangen zu unterrichten und es macht immernoch sehr viel Spaß! Ich kann die Ausbildung nur empfehlen, selbst wenn man nicht unterrichten möchte. Gerade bin ich in Elternzeit mit Baby zuhause und habe kaum Möglichkeiten, abends ins Studio zu gehen, sodass ich ganz viel alleine zuhause praktiziere - allein dafür ist es schon Gold wert. Aber das Vermitteln des Gelernten gehört irgendwie auch dazu und hat einen ganz besonderen Reiz. In dem Kurs lernt man eben auch, das nötige Selbstvertrauen aufzubauen, um sich vor eine Gruppe von Schülern zu stellen und in seinem eigenen Stil drauflos zu unterrichten. Ich kann dir aus meiner Erfahrung nur dazu raten! Alles Liebe, Lene
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